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März 2024
Depressionen: Tanzen, Walken und Yoga können helfen
Sportliche Aktivitäten können Depressionen lindern und dabei die Wirkung von Medikamenten oder einer Psychotherapie verstärken. Eine Netzwerk-Metaanalyse kommt im British Medical Journal zu dem Ergebnis, dass Tanzen, Spazierengehen und Yoga, die mit relativ geringen körperlichen Anstrengungen verbunden sind, sogar die beste Wirkung erzielen könnten.
Die Wirkung von Medikamenten ist unzuverlässig und die Behandlungsangebote der Psychotherapie beschränkt. Viele Patienten bleiben deshalb ohne eine effektive Therapie. In den letzten Jahren ist die Zahl der Studien gestiegen, die auf eine Wirksamkeit von sportlichen Angeboten hinweisen, für die die Patienten kein Rezept und keinen Therapeuten benötigen.
Der Psychologe Michael Noetel von der Universität von Queensland in St. Lucia/Brisbane und Mitarbeiter haben in einer Netzwerk-Metaanalyse die Ergebnisse aus 218 randomisierten Studien zusammengefasst, an denen 14 170 Patienten teilgenommen hatten. Die Netzwerk-Metaanalyse ermöglichte einen Vergleich der einzelnen Therapien, der für die einzelnen sportlichen Aktivitäten günstig ausfiel. Die Forscher geben die Effektstärke in Hedges’ g an. Die Werte beziehen sich dabei auf statistische Unterschiede. Ein Wert von 1 g entspricht einer Standardabweichung.
Die beste Wirkung erzielte nach den Berechnungen von Noetel mit 0,96 g Tanzen. Die Berechnungen beruhen hier allerdings nur auf 107 Patienten, was zu einem recht weiten 95-%-Konfidenzintervall führte. Danach könnte die Wirkung nur 0,56 g oder sogar 1,36 g betragen. An zweiter Stelle folgen mit 0,63 g (0,46–0,80) Walking oder Joggen vor einer kognitiven Verhaltenstherapie mit 0,55 g (0,37–0,75). Die heute bevorzugte Psychotherapie liegt gleichauf mit Yoga (0,55 g; 0,36–0,73) und der Kombination aus Sport und Antidepressiva (0,55 g; 0,23–0,86) vor einer Kombination aus Ausdauersport und Therapie (0,54 g; 0,32–0,76) sowie Kraftsport (0,49 g; 0,29–0,69) und Entspannungsübungen (0,44 g; 0,16–0,71).
Diese Rangliste ist allein schon aufgrund der überlappenden 95-%-Konfidenzintervalle mit Fragezeichen zu versehen. Hinzu kommt, dass in den einzelnen Studien nur eine einzelne Bewegungstherapie mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung verglichen wurden. Die verschiedenen Wirkstärken wurden erst in der Netzwerk-Metaanalyse berechnet. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass nicht unbedingt das Ausmaß der körperlichen Beanspruchung über den Erfolg der Therapie entscheidet. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Kombination verschiedener Therapien die Wirkung verbessern kann. Die Mechanismen kann die Studie nicht klären. Noetel vermutet, dass eine Kombination aus sozialer Interaktion, Achtsamkeit oder Erfahrungsakzeptanz, erhöhter Selbstwirksamkeit, Eintauchen in Grünflächen, neurobiologischen Mechanismen und akuten positiven Affekten für die Wirkungen verantwortlich ist.
Ein Kritikpunkt, auf den die vom Science Media Center in London befragten britischen Experten hinwiesen, ist die fehlende Motivation vieler Patienten, sich körperlich zu betätigen. Dies könnte erklären, warum die sportlichen Übungen in den Studien, in denen die Patienten ein hohes Maß an Autonomie hatten und die Häufigkeit, Intensität, Art oder Dauer der Übungen selbst bestimmen konnten, die schlechtesten Ergebnisse lieferten.
Quelle: www.aerzteblatt.de
Depressionen: Tanzen, Walken und Yoga können helfen
Sportliche Aktivitäten können Depressionen lindern und dabei die Wirkung von Medikamenten oder einer Psychotherapie verstärken. Eine Netzwerk-Metaanalyse kommt im British Medical Journal zu dem Ergebnis, dass Tanzen, Spazierengehen und Yoga, die mit relativ geringen körperlichen Anstrengungen verbunden sind, sogar die beste Wirkung erzielen könnten.
Die Wirkung von Medikamenten ist unzuverlässig und die Behandlungsangebote der Psychotherapie beschränkt. Viele Patienten bleiben deshalb ohne eine effektive Therapie. In den letzten Jahren ist die Zahl der Studien gestiegen, die auf eine Wirksamkeit von sportlichen Angeboten hinweisen, für die die Patienten kein Rezept und keinen Therapeuten benötigen.
Der Psychologe Michael Noetel von der Universität von Queensland in St. Lucia/Brisbane und Mitarbeiter haben in einer Netzwerk-Metaanalyse die Ergebnisse aus 218 randomisierten Studien zusammengefasst, an denen 14 170 Patienten teilgenommen hatten. Die Netzwerk-Metaanalyse ermöglichte einen Vergleich der einzelnen Therapien, der für die einzelnen sportlichen Aktivitäten günstig ausfiel. Die Forscher geben die Effektstärke in Hedges’ g an. Die Werte beziehen sich dabei auf statistische Unterschiede. Ein Wert von 1 g entspricht einer Standardabweichung.
Die beste Wirkung erzielte nach den Berechnungen von Noetel mit 0,96 g Tanzen. Die Berechnungen beruhen hier allerdings nur auf 107 Patienten, was zu einem recht weiten 95-%-Konfidenzintervall führte. Danach könnte die Wirkung nur 0,56 g oder sogar 1,36 g betragen. An zweiter Stelle folgen mit 0,63 g (0,46–0,80) Walking oder Joggen vor einer kognitiven Verhaltenstherapie mit 0,55 g (0,37–0,75). Die heute bevorzugte Psychotherapie liegt gleichauf mit Yoga (0,55 g; 0,36–0,73) und der Kombination aus Sport und Antidepressiva (0,55 g; 0,23–0,86) vor einer Kombination aus Ausdauersport und Therapie (0,54 g; 0,32–0,76) sowie Kraftsport (0,49 g; 0,29–0,69) und Entspannungsübungen (0,44 g; 0,16–0,71).
Diese Rangliste ist allein schon aufgrund der überlappenden 95-%-Konfidenzintervalle mit Fragezeichen zu versehen. Hinzu kommt, dass in den einzelnen Studien nur eine einzelne Bewegungstherapie mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung verglichen wurden. Die verschiedenen Wirkstärken wurden erst in der Netzwerk-Metaanalyse berechnet. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass nicht unbedingt das Ausmaß der körperlichen Beanspruchung über den Erfolg der Therapie entscheidet. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Kombination verschiedener Therapien die Wirkung verbessern kann. Die Mechanismen kann die Studie nicht klären. Noetel vermutet, dass eine Kombination aus sozialer Interaktion, Achtsamkeit oder Erfahrungsakzeptanz, erhöhter Selbstwirksamkeit, Eintauchen in Grünflächen, neurobiologischen Mechanismen und akuten positiven Affekten für die Wirkungen verantwortlich ist.
Ein Kritikpunkt, auf den die vom Science Media Center in London befragten britischen Experten hinwiesen, ist die fehlende Motivation vieler Patienten, sich körperlich zu betätigen. Dies könnte erklären, warum die sportlichen Übungen in den Studien, in denen die Patienten ein hohes Maß an Autonomie hatten und die Häufigkeit, Intensität, Art oder Dauer der Übungen selbst bestimmen konnten, die schlechtesten Ergebnisse lieferten.
Quelle: www.aerzteblatt.de
März 2024
Problematische Mediennutzung Minderjähriger nimmt weiter zu
Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt ein riskantes Nutzungsverhalten von Sozialen Medien. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). Etwa 1,3 Millionen Mädchen und Jungen bewegen sich demnach in einem gefährlichen Nutzungsbereich – dreimal so viele wie noch 2019. Der Analyse zufolge verbringen Kinder und Jugendliche an einem normalen Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in Sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden – gegenüber 191 Minuten im Jahr 2019. Im Fokus der Untersuchung standen Soziale Medien wie Instagram, Tiktok, Youtube oder Messengerdienste. „Die Ergebnisse zeigen leider deutlich, dass die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland während und nach der Coronapandemie erheblich zugenommen hat“, erklärte Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen, heute auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Ergebnisse. „Soziale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken“, ergänzte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Es brauche aber mehr Aufklärung über den Reiz und die Risiken von Sozialen Medien sowie zusätzliche Präventionskampagnen und Hilfsangebote für Betroffene.
Ein riskantes Mediennutzungsverhalten definiert sich laut ICD-11-Kriterien unter anderem durch einen häufigen und langen Gebrauch mit einem erhöhten Risiko für schädliche Folgen für die physische oder psychische Gesundheit. Der Untersuchung zufolge berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung auch häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehlten ihnen Regulierungsstrategien, um mit den negativen Emotionen und Stress umzugehen. Es beginne ein Teufelskreis, erläuterte Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE Hamburg: „Psychisch belastete Jugendliche neigen oftmals vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten bei sozialen Medien. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung jedoch zu neuen Problemen und erhöhten psychischen Belastungen.“ Persönliche, familiäre und schulische Ziele träten in den Hintergrund und alterstypische Entwicklungsaufgaben würden nicht angemessen gelöst. „Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge“, so Thomasius.
Einen positiven Trend verzeichnet die Studie im Bereich Streaming und Gaming – hier gingen die Nutzungszeiten und die Zahl der mediensüchtigen Kinder und Jugendlichen wieder zurück. An Werktagen verbringen junge Menschen im Schnitt demnach 98 Minuten und an Wochenenden 168 Minuten mit digitalen Spielen. Damit liegen sie fast wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie. Erstmals seit dem Beginn der Pandemie zeigt sich darüber hinaus ein deutlicher Rückgang suchtartigen Spielens. Die durchschnittliche Streamingdauer sank im September 2023 auf 98 Minuten pro Werktag – im Mai 2021 waren es 170 Minuten gewesen. Der Anteil pathologischer Nutzer beim Streaming halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 1,2 Prozent. Insgesamt einig waren sich die Fachleute darüber, dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch die der Eltern gefördert werden müsse. Hubmann zufolge könne auch ein Mediensuchtscreening in kinder- und jugendärztlichen Praxen dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.
Die DAK-Gesundheit übernimmt im Rahmen eines Pilotprojekts aktuell in fünf Bundesländern die Untersuchungen zur Früherkennung von Mediensucht. Zum Einsatz kommt dabei ein Fragebogen, der im Rahmen der J-Untersuchung von Kindern und Jugendlichen ausgefüllt wird. Bei einem auffälligen Ergebnis erhalten Betroffene eine Beratung und den Hinweis zu einer Onlineanlaufstelle des UKE, in schwerwiegenden Fällen werden sie an eine psychiatrische Praxis für Kinder und Jugendliche überwiesen.
Links:
Quelle: www.aerzteblatt.de
Problematische Mediennutzung Minderjähriger nimmt weiter zu
Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt ein riskantes Nutzungsverhalten von Sozialen Medien. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). Etwa 1,3 Millionen Mädchen und Jungen bewegen sich demnach in einem gefährlichen Nutzungsbereich – dreimal so viele wie noch 2019. Der Analyse zufolge verbringen Kinder und Jugendliche an einem normalen Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in Sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden – gegenüber 191 Minuten im Jahr 2019. Im Fokus der Untersuchung standen Soziale Medien wie Instagram, Tiktok, Youtube oder Messengerdienste. „Die Ergebnisse zeigen leider deutlich, dass die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland während und nach der Coronapandemie erheblich zugenommen hat“, erklärte Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen, heute auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Ergebnisse. „Soziale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken“, ergänzte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Es brauche aber mehr Aufklärung über den Reiz und die Risiken von Sozialen Medien sowie zusätzliche Präventionskampagnen und Hilfsangebote für Betroffene.
Ein riskantes Mediennutzungsverhalten definiert sich laut ICD-11-Kriterien unter anderem durch einen häufigen und langen Gebrauch mit einem erhöhten Risiko für schädliche Folgen für die physische oder psychische Gesundheit. Der Untersuchung zufolge berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung auch häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehlten ihnen Regulierungsstrategien, um mit den negativen Emotionen und Stress umzugehen. Es beginne ein Teufelskreis, erläuterte Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE Hamburg: „Psychisch belastete Jugendliche neigen oftmals vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten bei sozialen Medien. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung jedoch zu neuen Problemen und erhöhten psychischen Belastungen.“ Persönliche, familiäre und schulische Ziele träten in den Hintergrund und alterstypische Entwicklungsaufgaben würden nicht angemessen gelöst. „Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge“, so Thomasius.
Einen positiven Trend verzeichnet die Studie im Bereich Streaming und Gaming – hier gingen die Nutzungszeiten und die Zahl der mediensüchtigen Kinder und Jugendlichen wieder zurück. An Werktagen verbringen junge Menschen im Schnitt demnach 98 Minuten und an Wochenenden 168 Minuten mit digitalen Spielen. Damit liegen sie fast wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie. Erstmals seit dem Beginn der Pandemie zeigt sich darüber hinaus ein deutlicher Rückgang suchtartigen Spielens. Die durchschnittliche Streamingdauer sank im September 2023 auf 98 Minuten pro Werktag – im Mai 2021 waren es 170 Minuten gewesen. Der Anteil pathologischer Nutzer beim Streaming halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 1,2 Prozent. Insgesamt einig waren sich die Fachleute darüber, dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch die der Eltern gefördert werden müsse. Hubmann zufolge könne auch ein Mediensuchtscreening in kinder- und jugendärztlichen Praxen dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.
Die DAK-Gesundheit übernimmt im Rahmen eines Pilotprojekts aktuell in fünf Bundesländern die Untersuchungen zur Früherkennung von Mediensucht. Zum Einsatz kommt dabei ein Fragebogen, der im Rahmen der J-Untersuchung von Kindern und Jugendlichen ausgefüllt wird. Bei einem auffälligen Ergebnis erhalten Betroffene eine Beratung und den Hinweis zu einer Onlineanlaufstelle des UKE, in schwerwiegenden Fällen werden sie an eine psychiatrische Praxis für Kinder und Jugendliche überwiesen.
Links:
- Digitale Süchte: Pandemie als Katalysator
- Umfrage: Mediensucht von Kindern und Jugendlichen gestiegen
- Bildschirmzeit kann problematisch sein
Quelle: www.aerzteblatt.de
November 2023
Psychologie: Mit Kontakt gegen Rassismus
Für seine herausragenden Leistungen im Bereich der Migrationsforschung und Gewaltprävention erhielt der Sozialpsychologe Ulrich Wagner den Deutschen Psychologie Preis 2023. Prof. Ulrich Wagner hat mit seinen Arbeiten zur Migrationsforschung und Gewaltprävention gezeigt, dass man Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit Integrationsangeboten und interkultureller Kompetenz begegnen kann“, sagte Thordis Bethlehem, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), in ihrer Laudatio. „Mit seinem jahrzehntelangen Wirken versuchte Wagner Gruppenverhalten und das Entstehen von gesellschaftlichen Konflikten zu verstehen. Er hat die Sozialpsychologie auf nationaler und internationaler Ebene vorangetrieben – mit einer beeindruckenden Themenvielfalt“, lobte auch Dr. Meltem Avci-Werning, ehemalige Präsidentin des BDP.
Dafür erhielt Ulrich Wagner am 26. Oktober in Berlin den Deutschen Psychologie Preis 2023. Mit der Auszeichnung wird seine Arbeit als Sozialpsychologe und Wissenschaftlicher Leiter des Wissenschafts-Praxis-Projekts „Einsicht – Marburg gegen Gewalt“ gewürdigt. Die den Preis auslobenden Organisationen sind der BDP, die Bundespsychotherapeutenkammer, die Deutsche Gesellschaft für Psychologie und das Leibniz-Institut für Psychologie. Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben.
Wagner¸ emeritierter Professor für Sozialpsychologie an der Philipps-Universität Marburg, forscht seit vielen Jahrzehnten zu den Themen Migration und Integration, hieß es in der Laudatio. In vielen Studien habe er sich mit der Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten befasst und habe dazu beitragen können, dass Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturkreise heute als Mittel zur Reduktion von Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt in Präventionsprogrammen eingesetzt wird. Neben der nationalen ist er auf internationaler Ebene aktiv.
Gehör für die Kontakttheorie
„Dieser Preis ist eine besondere Auszeichnung, auch für die Forschungsgruppe in Marburg. Mit unseren Studien und öffentlichen Diskussionen konnten wir dazu beigetragen, dass die Kontakttheorie in der Öffentlichkeit und Politik als wirksamer psychologischer Mechanismus zur Verbesserung von Intergruppenbeziehungen berücksichtigt wird“, sagte Wagner bei der Preisverleihung. Denn Kontakt zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen trage zur Reduktion von Vorurteilen bei, vorausgesetzt Mitglieder verschiedener Gruppen haben den gleichen Status und der Kontakt untereinander habe gesellschaftlichen Rückhalt beziehungsweise werde von Autoritäten unterstützt.
Darüber hinaus besage die Kontakttheorie, dass je höher der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in einer Gruppe beziehungsweise in einem Bezirk ist, desto geringer die Vorurteile, erläuterte der Preisträger. Ebenso: Je höher der Anteil von Migranten in einem Bezirk, desto weniger fremdenfeindliche Gewalttaten geschehen. Dies gelte genauso beispielsweise für Menschen mit anderer sexueller Orientierung, Menschen mit Behinderungen oder psychisch Kranken. Das Ausmaß an Ablehnung könne des Weiteren reduziert werden durch das Wissen, dass andere Mitglieder der eigenen Gruppe Kontakt mit „den Fremden“ haben. Die kooperative heterogene Zusammensetzung von Gruppen helfe auch, Vorurteile zu reduzieren. Ganz praktisch gelte das zum Beispiel für Schulklassen. Entscheidend sei immer, unterrepräsentierte Gruppen zu beteiligen, so Wagner.
„Wichtig ist, dass die Theorie dann auch in die Praxis umgesetzt wird“, sagte Wagner. Die Psychologie verfüge, neben der Kontakttheorie, über eine Reihe gut überprüfter Modelle, die Prävention und Intervention effektiver machen können. „Wir könnten viel zur Lösung der aktuellen Konflikte beitragen, wenn wir von der Politik gehört würden“, betonte der Sozialpsychologe.
Quelle: www.aerzteblatt.de
Psychologie: Mit Kontakt gegen Rassismus
Für seine herausragenden Leistungen im Bereich der Migrationsforschung und Gewaltprävention erhielt der Sozialpsychologe Ulrich Wagner den Deutschen Psychologie Preis 2023. Prof. Ulrich Wagner hat mit seinen Arbeiten zur Migrationsforschung und Gewaltprävention gezeigt, dass man Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit Integrationsangeboten und interkultureller Kompetenz begegnen kann“, sagte Thordis Bethlehem, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), in ihrer Laudatio. „Mit seinem jahrzehntelangen Wirken versuchte Wagner Gruppenverhalten und das Entstehen von gesellschaftlichen Konflikten zu verstehen. Er hat die Sozialpsychologie auf nationaler und internationaler Ebene vorangetrieben – mit einer beeindruckenden Themenvielfalt“, lobte auch Dr. Meltem Avci-Werning, ehemalige Präsidentin des BDP.
Dafür erhielt Ulrich Wagner am 26. Oktober in Berlin den Deutschen Psychologie Preis 2023. Mit der Auszeichnung wird seine Arbeit als Sozialpsychologe und Wissenschaftlicher Leiter des Wissenschafts-Praxis-Projekts „Einsicht – Marburg gegen Gewalt“ gewürdigt. Die den Preis auslobenden Organisationen sind der BDP, die Bundespsychotherapeutenkammer, die Deutsche Gesellschaft für Psychologie und das Leibniz-Institut für Psychologie. Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben.
Wagner¸ emeritierter Professor für Sozialpsychologie an der Philipps-Universität Marburg, forscht seit vielen Jahrzehnten zu den Themen Migration und Integration, hieß es in der Laudatio. In vielen Studien habe er sich mit der Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten befasst und habe dazu beitragen können, dass Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturkreise heute als Mittel zur Reduktion von Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt in Präventionsprogrammen eingesetzt wird. Neben der nationalen ist er auf internationaler Ebene aktiv.
Gehör für die Kontakttheorie
„Dieser Preis ist eine besondere Auszeichnung, auch für die Forschungsgruppe in Marburg. Mit unseren Studien und öffentlichen Diskussionen konnten wir dazu beigetragen, dass die Kontakttheorie in der Öffentlichkeit und Politik als wirksamer psychologischer Mechanismus zur Verbesserung von Intergruppenbeziehungen berücksichtigt wird“, sagte Wagner bei der Preisverleihung. Denn Kontakt zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen trage zur Reduktion von Vorurteilen bei, vorausgesetzt Mitglieder verschiedener Gruppen haben den gleichen Status und der Kontakt untereinander habe gesellschaftlichen Rückhalt beziehungsweise werde von Autoritäten unterstützt.
Darüber hinaus besage die Kontakttheorie, dass je höher der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in einer Gruppe beziehungsweise in einem Bezirk ist, desto geringer die Vorurteile, erläuterte der Preisträger. Ebenso: Je höher der Anteil von Migranten in einem Bezirk, desto weniger fremdenfeindliche Gewalttaten geschehen. Dies gelte genauso beispielsweise für Menschen mit anderer sexueller Orientierung, Menschen mit Behinderungen oder psychisch Kranken. Das Ausmaß an Ablehnung könne des Weiteren reduziert werden durch das Wissen, dass andere Mitglieder der eigenen Gruppe Kontakt mit „den Fremden“ haben. Die kooperative heterogene Zusammensetzung von Gruppen helfe auch, Vorurteile zu reduzieren. Ganz praktisch gelte das zum Beispiel für Schulklassen. Entscheidend sei immer, unterrepräsentierte Gruppen zu beteiligen, so Wagner.
„Wichtig ist, dass die Theorie dann auch in die Praxis umgesetzt wird“, sagte Wagner. Die Psychologie verfüge, neben der Kontakttheorie, über eine Reihe gut überprüfter Modelle, die Prävention und Intervention effektiver machen können. „Wir könnten viel zur Lösung der aktuellen Konflikte beitragen, wenn wir von der Politik gehört würden“, betonte der Sozialpsychologe.
Quelle: www.aerzteblatt.de
November 2023
Klimawandel und Gesundheit: „Unsere Resilienz ist begrenzt“
Der Klimawandel gefährdet nicht nur die somatische, sondern auch die psychische Gesundheit. Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit fordert ein dringendes Gegensteuern. Mit dem Schutz vor zunehmenden Hitzeperioden in der Stadt befasste sich eine weitere Tagung. Die psychische Gesundheit ist durch die Klimakrise massiv gefährdet. Studien zeigen, dass Naturkatastrophen, Hitzewellen oder Luftverschmutzung die Psyche belasten und das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Posttraumatische Belastungsstörungen erhöhen. Darauf wies die Psychotherapeutin Lea Dohm bei einer Online-Veranstaltung zum Thema „Planetary Health – Mentale Gesundheit“ der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) im September hin. Naturkatastrophen, wie die Überflutungen im Ahrtal 2021 oder der Verlust der eigenen Lebensumgebung, erhöhen Dohm zufolge das Risiko von posttraumatischen Belastungsstörungen, Somatisierungsstörungen oder Substanzmissbrauch. Wenn man auch die indirekten Auswirkungen der ökologischen Krisen auf die psychische Gesundheit berücksichtige, dann seien ein allgemein abnehmendes Stabilitäts-, Autonomie- und Kontrollempfinden in der Bevölkerung, Schulausfälle oder die Zunahme politischer Konflikte, Kriege, Flucht und Pandemien zu nennen. Die psychischen Folgen der Klimakrise treffen nach Angaben der Psychotherapeutin zufolge vulnerable Gruppen wie Kinder und Jugendliche, Frauen, ältere Menschen, sozial Benachteiligte, chronisch Erkrankte, Menschen mit Behinderung, naturnah Lebende sowie Menschen im Globalen Süden besonders.
Hitze wird unterschätzt
„Wir haben jetzt schon Probleme mit den Behandlungskapazitäten. Ich weiß nicht, wie wir die Versorgung der Hilfebedürftigen aufgrund psychischer Belastungen durch den Klimawandel bewältigen sollen, wenn nicht gegengesteuert wird“, betonte Lea Dohm. Der Klimawandel verursacht auch einen Anstieg von Hitze. So führe zum Beispiel Hitzeeinwirkung bereits nach kurzer Zeit zu einer verstärkten Aggressivität und wirke sich negativ auf kognitive Beeinträchtigungen wie demenzielle Erkrankungen aus. Hitze verursacht Dohm zufolge auch Müdigkeit, und führt zu mehr Fehlern im Arbeitsleben. Ab einer Temperatur von 30 Grad Celsius nähmen beispielsweise Arbeitsunfälle um 7,4 Prozent zu. „Die Auswirkungen von Hitze werden systematisch unterschätzt; insbesondere die Risikogruppen wissen das oft nicht“, betonte sie. Mehr Aufklärung sei hier erforderlich.
Die Klimapsychologie beschäftigt sich auch mit dem Thema Resilienz, also mit der Frage, wie man gesund durch die Krisen kommt. „Unsere Resilienz ist begrenzt. Und es gibt keine Resilienz ohne transformatorisches Handeln, also den Schutz des Klimas, für den wir alle etwas tun können“, erklärte Lea Dohm.
Der psychischen Gesundheit förderlich sei es darüber hinaus, „wertekonform“ zu leben, so die Psychotherapeutin. Viele Menschen hätten den Wunsch, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der die eigenen Werte abbildet. „Kognitive Dissonanz am Arbeitsplatz hingegen führt zu Stress und dem Wunsch nach Umorientierung.“ Führungskräften in Unternehmen empfiehlt sie deshalb, jegliches Nachhaltigkeitsengagement von Mitarbeitenden zu fördern. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel.
Stressreduktion durch Grünes
Mit der Frage, was es in der Arbeitswelt braucht, um die mentalen Ressourcen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken, beschäftigt sich Dr. med. Kristin Köhler, Gründerin von „Verde – Gesundheit in Natur“. Stress lasse sich schon durch den Blick auf Grünes, zum Beispiel auf Grünflächen, begrünte Hinterhöfe, Terrassen oder Pflanzen in Büros reduzieren – im Gegensatz zum Blick auf Beton oder weiße Wände.
„Natur muss im Alltag erfahrbar gemacht werden, auch in der Arbeitswelt“, sagte Köhler. Dazu könnten auch achtsames Essen in der Natur beitragen oder der Gemüseanbau in der Mittagspause. Stress und depressive Stimmung reduziere sich deutlich durch den Naturaufenthalt. Durch die Klimakrise erlebe man einen Verlust an Natur, von Bäumen, Pflanzen und Insekten. Jeder einzelne müsse seinen grünen Handabdruck vergrößern, um den Klimawandel aufzuhalten, forderte die Ärztin und Psychotherapeutin.
Mit der Frage, wie insbesondere ältere Menschen besser vor Hitze in der Stadt geschützt werden können, befasste sich die 7. Bundeskonferenz „Gesund und aktiv älter werden – Hitze in der Stadt“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am 11. Oktober in Berlin. „Mit zunehmenden Temperaturen durch den Klimawandel steigen auch die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit – gerade bei älteren Menschen“, sagte Dr. Johannes Nießen, neuer Leiter der BZgA und Errichtungsbeauftragter des neuen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Er machte deutlich, dass man um die sehr guten Wirkungspotenziale für bereits kleine Präventions- und Anpassungsmaßnahmen an heißen Tagen wisse. Gleichzeitig sei es wichtig, Städte und Quartiere nachhaltig zu gestalten, um Gesundheit und Lebensqualität aller Generationen zu verbessern. Studien belegen Nießen zufolge, dass Hitze ein eigenständiges Gesundheitsrisiko für ältere Menschen ist. Extreme Hitze bedeute Lebensgefahr für ältere Menschen: Der größte Anteil hitzebedingter Sterbefälle entfällt nach einer Studie des Robert Koch-Instituts auf die Altersgruppen ab 75 Jahren: Bei den 75- bis 84-jährigen Menschen werden die Todesfälle aufgrund von Hitze zwischen April und September 2023 auf 880 Menschen geschätzt. 1 900 Hitzetote gab es in der Altersgruppe der über 85-Jährigen.
„Effektiver Hitzeschutz wird in Zukunft immer wichtiger werden. Die Temperaturen steigen von Jahr zu Jahr. Wir haben gerade den heißesten September seit 1881 erlebt“, sagte Dr. Antje Draheim, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Sie verwies auf den „Hitzeschutzplan für Gesundheit“, den das BMG Ende Juli vorgelegt hat. „Wir werden vernehmbar vor Hitze warnen, ein übersichtliches Informationsangebot schaffen und geeignete Maßnahmen ergreifen“, sagte Draheim. Auch wies sie auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gestartete Plakatkampagne zum Hitzeschutz in Hausarztpraxen hin: „Mehr als 10 000 Plakate hängen schon, die über Hitzeschutz informieren“, sagte die Staatssekretärin.
„Der globale Klimawandel führt ganzjährig zu immer höheren Temperaturen, die noch zunehmen werden, wenn wir nicht gegensteuern“, sagte Prof. Dr. Katharina Heinke Schlünzen vom Meteorologischen Institut der Universität Hamburg. In den Städten seien die Lufttemperaturen tagsüber ähnlich hoch wie im Umland, würden aber vor allem im Sommer oft als höher wahrgenommen. Nachts sind sie der Meteorologin zufolge indes bis zu drei Grad Celsius höher als im Umland, infolge von Versiegelungen und kompakten Baumaterialien, die die Wärme des Tages speicherten. Auch Gebäude als Hindernisse verminderten Verdunstung und Windgeschwindigkeit. Mit Anzahl der Nächte mit tropischen Temperaturen über 20 Grad und Tagestemperaturen von mehr als 30 Grad steige aber auch die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen deutlich. „Nachts muss es runterkühlen, sonst wird es sehr anstrengend für den Körper“, sagte Heinke Schlünzen.
Um die Hitze in der sommerlichen Stadt zu reduzieren, empfahl die Meteorologin eine Reihe von Maßnahmen: Bäume an Straßen, die möglichst in unterschiedlicher Höhe wachsen sollten. Beim Bauen sollte Beton durch Holz oder auch durch recycelte Altbaumaterialien ersetzt werden. Reflektierende Materialen wie Glas oder Metall sollten beim Bauen vermieden werden. Die Anzahl der Stockwerke sollte reduziert und Gebäude nicht alle auf gleicher Höhe errichtet werden. Generell brauchten Städte zudem mehr Radwege, um die Reduktion von Treibhausgasen zu reduzieren.
Komplexe Wirkzusammenhänge
„Die Klimakrise ist mit unmittelbaren Folgen für die Gesundheit verbunden und deshalb ein zentrales Thema von Public Health“, erklärte Prof. Dr. Susanne Moebus, Institut für Urban Public Health am Universitätsklinikum Essen. Nicht nur die direkten Gesundheitsfolgen von Hitzewellen seien relevant, sondern insbesondere in den Städten gebe es komplexe Wirkzusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Ökologie, Ökonomie und Gesundheit.
Public Health müsse diese Wechselwirkungen stärker im Blick haben. Ebenso müssten etwa Städteplaner die Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Gesundheit berücksichtigen. „Die Gestaltung unserer Städte zu nachhaltigen und gesunden Orten ist ein zentraler Lösungsansatz“, sagte Moebus.
Quelle: www.aerzteblatt.de
Klimawandel und Gesundheit: „Unsere Resilienz ist begrenzt“
Der Klimawandel gefährdet nicht nur die somatische, sondern auch die psychische Gesundheit. Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit fordert ein dringendes Gegensteuern. Mit dem Schutz vor zunehmenden Hitzeperioden in der Stadt befasste sich eine weitere Tagung. Die psychische Gesundheit ist durch die Klimakrise massiv gefährdet. Studien zeigen, dass Naturkatastrophen, Hitzewellen oder Luftverschmutzung die Psyche belasten und das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Posttraumatische Belastungsstörungen erhöhen. Darauf wies die Psychotherapeutin Lea Dohm bei einer Online-Veranstaltung zum Thema „Planetary Health – Mentale Gesundheit“ der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) im September hin. Naturkatastrophen, wie die Überflutungen im Ahrtal 2021 oder der Verlust der eigenen Lebensumgebung, erhöhen Dohm zufolge das Risiko von posttraumatischen Belastungsstörungen, Somatisierungsstörungen oder Substanzmissbrauch. Wenn man auch die indirekten Auswirkungen der ökologischen Krisen auf die psychische Gesundheit berücksichtige, dann seien ein allgemein abnehmendes Stabilitäts-, Autonomie- und Kontrollempfinden in der Bevölkerung, Schulausfälle oder die Zunahme politischer Konflikte, Kriege, Flucht und Pandemien zu nennen. Die psychischen Folgen der Klimakrise treffen nach Angaben der Psychotherapeutin zufolge vulnerable Gruppen wie Kinder und Jugendliche, Frauen, ältere Menschen, sozial Benachteiligte, chronisch Erkrankte, Menschen mit Behinderung, naturnah Lebende sowie Menschen im Globalen Süden besonders.
Hitze wird unterschätzt
„Wir haben jetzt schon Probleme mit den Behandlungskapazitäten. Ich weiß nicht, wie wir die Versorgung der Hilfebedürftigen aufgrund psychischer Belastungen durch den Klimawandel bewältigen sollen, wenn nicht gegengesteuert wird“, betonte Lea Dohm. Der Klimawandel verursacht auch einen Anstieg von Hitze. So führe zum Beispiel Hitzeeinwirkung bereits nach kurzer Zeit zu einer verstärkten Aggressivität und wirke sich negativ auf kognitive Beeinträchtigungen wie demenzielle Erkrankungen aus. Hitze verursacht Dohm zufolge auch Müdigkeit, und führt zu mehr Fehlern im Arbeitsleben. Ab einer Temperatur von 30 Grad Celsius nähmen beispielsweise Arbeitsunfälle um 7,4 Prozent zu. „Die Auswirkungen von Hitze werden systematisch unterschätzt; insbesondere die Risikogruppen wissen das oft nicht“, betonte sie. Mehr Aufklärung sei hier erforderlich.
Die Klimapsychologie beschäftigt sich auch mit dem Thema Resilienz, also mit der Frage, wie man gesund durch die Krisen kommt. „Unsere Resilienz ist begrenzt. Und es gibt keine Resilienz ohne transformatorisches Handeln, also den Schutz des Klimas, für den wir alle etwas tun können“, erklärte Lea Dohm.
Der psychischen Gesundheit förderlich sei es darüber hinaus, „wertekonform“ zu leben, so die Psychotherapeutin. Viele Menschen hätten den Wunsch, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der die eigenen Werte abbildet. „Kognitive Dissonanz am Arbeitsplatz hingegen führt zu Stress und dem Wunsch nach Umorientierung.“ Führungskräften in Unternehmen empfiehlt sie deshalb, jegliches Nachhaltigkeitsengagement von Mitarbeitenden zu fördern. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel.
Stressreduktion durch Grünes
Mit der Frage, was es in der Arbeitswelt braucht, um die mentalen Ressourcen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken, beschäftigt sich Dr. med. Kristin Köhler, Gründerin von „Verde – Gesundheit in Natur“. Stress lasse sich schon durch den Blick auf Grünes, zum Beispiel auf Grünflächen, begrünte Hinterhöfe, Terrassen oder Pflanzen in Büros reduzieren – im Gegensatz zum Blick auf Beton oder weiße Wände.
„Natur muss im Alltag erfahrbar gemacht werden, auch in der Arbeitswelt“, sagte Köhler. Dazu könnten auch achtsames Essen in der Natur beitragen oder der Gemüseanbau in der Mittagspause. Stress und depressive Stimmung reduziere sich deutlich durch den Naturaufenthalt. Durch die Klimakrise erlebe man einen Verlust an Natur, von Bäumen, Pflanzen und Insekten. Jeder einzelne müsse seinen grünen Handabdruck vergrößern, um den Klimawandel aufzuhalten, forderte die Ärztin und Psychotherapeutin.
Mit der Frage, wie insbesondere ältere Menschen besser vor Hitze in der Stadt geschützt werden können, befasste sich die 7. Bundeskonferenz „Gesund und aktiv älter werden – Hitze in der Stadt“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am 11. Oktober in Berlin. „Mit zunehmenden Temperaturen durch den Klimawandel steigen auch die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit – gerade bei älteren Menschen“, sagte Dr. Johannes Nießen, neuer Leiter der BZgA und Errichtungsbeauftragter des neuen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Er machte deutlich, dass man um die sehr guten Wirkungspotenziale für bereits kleine Präventions- und Anpassungsmaßnahmen an heißen Tagen wisse. Gleichzeitig sei es wichtig, Städte und Quartiere nachhaltig zu gestalten, um Gesundheit und Lebensqualität aller Generationen zu verbessern. Studien belegen Nießen zufolge, dass Hitze ein eigenständiges Gesundheitsrisiko für ältere Menschen ist. Extreme Hitze bedeute Lebensgefahr für ältere Menschen: Der größte Anteil hitzebedingter Sterbefälle entfällt nach einer Studie des Robert Koch-Instituts auf die Altersgruppen ab 75 Jahren: Bei den 75- bis 84-jährigen Menschen werden die Todesfälle aufgrund von Hitze zwischen April und September 2023 auf 880 Menschen geschätzt. 1 900 Hitzetote gab es in der Altersgruppe der über 85-Jährigen.
„Effektiver Hitzeschutz wird in Zukunft immer wichtiger werden. Die Temperaturen steigen von Jahr zu Jahr. Wir haben gerade den heißesten September seit 1881 erlebt“, sagte Dr. Antje Draheim, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Sie verwies auf den „Hitzeschutzplan für Gesundheit“, den das BMG Ende Juli vorgelegt hat. „Wir werden vernehmbar vor Hitze warnen, ein übersichtliches Informationsangebot schaffen und geeignete Maßnahmen ergreifen“, sagte Draheim. Auch wies sie auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gestartete Plakatkampagne zum Hitzeschutz in Hausarztpraxen hin: „Mehr als 10 000 Plakate hängen schon, die über Hitzeschutz informieren“, sagte die Staatssekretärin.
„Der globale Klimawandel führt ganzjährig zu immer höheren Temperaturen, die noch zunehmen werden, wenn wir nicht gegensteuern“, sagte Prof. Dr. Katharina Heinke Schlünzen vom Meteorologischen Institut der Universität Hamburg. In den Städten seien die Lufttemperaturen tagsüber ähnlich hoch wie im Umland, würden aber vor allem im Sommer oft als höher wahrgenommen. Nachts sind sie der Meteorologin zufolge indes bis zu drei Grad Celsius höher als im Umland, infolge von Versiegelungen und kompakten Baumaterialien, die die Wärme des Tages speicherten. Auch Gebäude als Hindernisse verminderten Verdunstung und Windgeschwindigkeit. Mit Anzahl der Nächte mit tropischen Temperaturen über 20 Grad und Tagestemperaturen von mehr als 30 Grad steige aber auch die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen deutlich. „Nachts muss es runterkühlen, sonst wird es sehr anstrengend für den Körper“, sagte Heinke Schlünzen.
Um die Hitze in der sommerlichen Stadt zu reduzieren, empfahl die Meteorologin eine Reihe von Maßnahmen: Bäume an Straßen, die möglichst in unterschiedlicher Höhe wachsen sollten. Beim Bauen sollte Beton durch Holz oder auch durch recycelte Altbaumaterialien ersetzt werden. Reflektierende Materialen wie Glas oder Metall sollten beim Bauen vermieden werden. Die Anzahl der Stockwerke sollte reduziert und Gebäude nicht alle auf gleicher Höhe errichtet werden. Generell brauchten Städte zudem mehr Radwege, um die Reduktion von Treibhausgasen zu reduzieren.
Komplexe Wirkzusammenhänge
„Die Klimakrise ist mit unmittelbaren Folgen für die Gesundheit verbunden und deshalb ein zentrales Thema von Public Health“, erklärte Prof. Dr. Susanne Moebus, Institut für Urban Public Health am Universitätsklinikum Essen. Nicht nur die direkten Gesundheitsfolgen von Hitzewellen seien relevant, sondern insbesondere in den Städten gebe es komplexe Wirkzusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Ökologie, Ökonomie und Gesundheit.
Public Health müsse diese Wechselwirkungen stärker im Blick haben. Ebenso müssten etwa Städteplaner die Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Gesundheit berücksichtigen. „Die Gestaltung unserer Städte zu nachhaltigen und gesunden Orten ist ein zentraler Lösungsansatz“, sagte Moebus.
Quelle: www.aerzteblatt.de
November 2023
Ambulante Psychotherapie: Das Warten geht weiter
Der aktuelle Fehlzeitenreport der AOK zeigt die Dramatik erneut: Die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen haben von 2012 bis 2022 um 48 Prozent zugenommen. Alle anderen Erkrankungen haben demnach in diesem Zeitraum „nur“ einen Anstieg von 35 Prozent zu verzeichnen. Dass psychische Erkrankungen an der traurigen Spitze stehen, hat auch mit der Länge der Fehlzeiten zu tun: 30 Tage im Durchschnitt im Vergleich zu sieben Tagen zum Beispiel bei Atemwegserkrankungen. Die Gründe für die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen vor allem seit dem Jahr 2020, dem Beginn der Coronapandemie, kennen alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten: die Belastungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, vor allem für Kinder und Jugendliche; der anschließende Krieg in der Ukraine, die Inflation und die damit verbundenen Existenzängste vieler Menschen. Und jetzt auch noch der Nahostkonflikt. Starke Veränderungen und Ungewissheiten gehen immer mit Ängsten einher. Eine repräsentative Befragung der AOK bei Erwerbstätigen zeigte, dass die Menschen sich immer noch stärker belastet fühlen als vor der Pandemie. Bei den Diagnosen der psychisch kranken Erwerbstätigen stehen Anpassungsstörungen, depressive Störungen und Angststörungen an der Spitze.Viele psychisch kranke Menschen, die einen Therapieplatz suchen, treffen auf niedergelassene Psychotherapeuten, die an ihrer Belastungsgrenze sind. Das seit Jahren bekannte Versorgungsproblem ist nur noch größer geworden, weil nie entschieden gegensteuert wurde. Die Strukturreform der ambulanten Psychotherapie von 2017 war zuletzt eine Maßnahme, mit der auch die Wartezeiten reduziert werden sollten. Dass dies nicht gelungen ist, zeigen zwei Versorgungsforschungsprojekte, die die Strukturreform evaluiert haben (Seite 487). Die Wartezeiten auf den Behandlungsbeginn einer Richtlinienpsychotherapie haben sich nach der Reform sogar verlängert. Gleich lang warten Hilfesuchende auf ein Erstgespräch beim Therapeuten. Immerhin ermöglicht das mit der Reform eingeführte Erstgespräch einen niedrigschwelligeren Zugang zur Versorgung, bestätigen befragte Therapeuten. Doch ihre Kapazitäten, dann auch einen Therapieplatz anzubieten, sind erschöpft.
Konsequenterweise müssten die Kapazitäten erhöht werden, also mehr Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Die Bundesregierung sollte deshalb endlich den Koalitionsvertrag von 2021 umsetzen, indem sie angekündigt hat, die Bedarfsplanung reformieren zu wollen, um Wartezeiten zu reduzieren. Um dieses Ziel umzusetzen, hält es die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) für notwendig, die Verhältniszahlen für die Arztgruppe der Psychotherapeuten um mindestens 20 Prozent abzusenken. Dadurch würden rund 1 600 zusätzliche Kassensitze insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen entstehen. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sollten der BPtK zufolge in einer eigenen Arztgruppe geplant werden, damit Heranwachsende keine langen Wege zur Therapie haben. All dies ist hinlänglich bekannt und oft gefordert worden. Erkennbare Fortschritte sind indes nicht wahrzunehmen. Man wartet weiter.
Quelle: www.aerzteblatt.de
Ambulante Psychotherapie: Das Warten geht weiter
Der aktuelle Fehlzeitenreport der AOK zeigt die Dramatik erneut: Die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen haben von 2012 bis 2022 um 48 Prozent zugenommen. Alle anderen Erkrankungen haben demnach in diesem Zeitraum „nur“ einen Anstieg von 35 Prozent zu verzeichnen. Dass psychische Erkrankungen an der traurigen Spitze stehen, hat auch mit der Länge der Fehlzeiten zu tun: 30 Tage im Durchschnitt im Vergleich zu sieben Tagen zum Beispiel bei Atemwegserkrankungen. Die Gründe für die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen vor allem seit dem Jahr 2020, dem Beginn der Coronapandemie, kennen alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten: die Belastungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, vor allem für Kinder und Jugendliche; der anschließende Krieg in der Ukraine, die Inflation und die damit verbundenen Existenzängste vieler Menschen. Und jetzt auch noch der Nahostkonflikt. Starke Veränderungen und Ungewissheiten gehen immer mit Ängsten einher. Eine repräsentative Befragung der AOK bei Erwerbstätigen zeigte, dass die Menschen sich immer noch stärker belastet fühlen als vor der Pandemie. Bei den Diagnosen der psychisch kranken Erwerbstätigen stehen Anpassungsstörungen, depressive Störungen und Angststörungen an der Spitze.Viele psychisch kranke Menschen, die einen Therapieplatz suchen, treffen auf niedergelassene Psychotherapeuten, die an ihrer Belastungsgrenze sind. Das seit Jahren bekannte Versorgungsproblem ist nur noch größer geworden, weil nie entschieden gegensteuert wurde. Die Strukturreform der ambulanten Psychotherapie von 2017 war zuletzt eine Maßnahme, mit der auch die Wartezeiten reduziert werden sollten. Dass dies nicht gelungen ist, zeigen zwei Versorgungsforschungsprojekte, die die Strukturreform evaluiert haben (Seite 487). Die Wartezeiten auf den Behandlungsbeginn einer Richtlinienpsychotherapie haben sich nach der Reform sogar verlängert. Gleich lang warten Hilfesuchende auf ein Erstgespräch beim Therapeuten. Immerhin ermöglicht das mit der Reform eingeführte Erstgespräch einen niedrigschwelligeren Zugang zur Versorgung, bestätigen befragte Therapeuten. Doch ihre Kapazitäten, dann auch einen Therapieplatz anzubieten, sind erschöpft.
Konsequenterweise müssten die Kapazitäten erhöht werden, also mehr Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Die Bundesregierung sollte deshalb endlich den Koalitionsvertrag von 2021 umsetzen, indem sie angekündigt hat, die Bedarfsplanung reformieren zu wollen, um Wartezeiten zu reduzieren. Um dieses Ziel umzusetzen, hält es die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) für notwendig, die Verhältniszahlen für die Arztgruppe der Psychotherapeuten um mindestens 20 Prozent abzusenken. Dadurch würden rund 1 600 zusätzliche Kassensitze insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen entstehen. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sollten der BPtK zufolge in einer eigenen Arztgruppe geplant werden, damit Heranwachsende keine langen Wege zur Therapie haben. All dies ist hinlänglich bekannt und oft gefordert worden. Erkennbare Fortschritte sind indes nicht wahrzunehmen. Man wartet weiter.
Quelle: www.aerzteblatt.de